Alfa Romeo Junior – Das ist kein Crossover
- Ramon Egger
- 2. Jan.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Jan.

Eigentlich passt der Junior ja nicht so recht in die Pläne von Alfa. Man will wieder auf Premium fokussieren, will das Line-up nach oben erweitern. Bereits 2027 soll ein grosses SUV kommen. Aber man will auch wieder wachsen, daraus macht CEO Jean-Philippe Imparato – der den Junior konsequent Milano-Slash-Junior nennt – kein Geheimnis. Und zwar rasch, noch in diesem Jahr soll das Facelift der Giulia kommen, nächstes Jahr ist dann der Stelvio dran. Und um die erwarteten Absatzzahlen zu erreichen, muss eben auch das untere Segment wieder abgedeckt werden, das man bis zum Produktionsende der Giulietta noch besetzt hatte. Dafür hat man jetzt den Junior.
Kein SUV, kein Crossover
Den Einwand, dass man mit dem Crossover Junior nicht wirklich das Segment der Giulietta abdecke, lässt Chefdesigner Alejandro Mesonero-Romanos nicht gelten. Der Junior sei kein SUV oder Crossover, sondern ein Hatchback – nur halt eben mit etwas mehr Bodenfreiheit und höherer Sitzposition. Das sei ein Kundenbedürfnis, dem man sich füge. Mesonero weiss das übrigens nicht nur aus Marktanalysen, sondern – gemäss eigener Aussage – auch, weil seine Tochter ihm das gesagt hatte, nachdem sie zum ersten Mal den Junior fahren durfte.
Sowieso liebt Mesonero Anekdoten. Er ist ein packender Erzähler, der sich in der Faszination von Details verlieren kann. Wir hätten drei Seiten Notizen alleine zur Grösse des Scudetto und zur Platzierung des Nummernschildes. Darüber kann Mesonero philosophieren, als ginge es um die Sinnfrage des Lebens. Kann alles einordnen in Vergangenheit und Zukunft des Designs, in technische Notwendigkeit und regulatorische Anforderungen. Und nebenbei die entsprechenden EU-Normen benennen und zitieren, weiss wann sie in Kraft getreten sind, wann sie abgeändert wurden.
Technisch, gesetzlich, optisch
Wir fassen zusammen: Dass der Scudetto – der Kühlergrill – ein neues Design erhalten hat, hat mit dem Junior Elettrica zu tun. Als Elektroauto benötigt der keinen Kühlergrill mehr, also hat man nach einer Lösung gesucht, die für Verbrenner und Elektroantrieb gleichermassen funktioniert. Und diese gefunden in der geschlossenen Variante mit ausgeschnittenem Biscione. Dass der Kühlergrill nicht mehr so weit nach unten gezogen ist, wie bei Stelvio und Giulia ist den Assistenzsystemen geschuldet, da der Radar den Platz unter dem Scudetto beansprucht. Und sowieso, sei das kein Stilbruch mit dem Design. Es habe in der Geschichte von Alfa schon diverse Ausführungen des Scudetto gegeben, Mesonero verweist hier beispielsweise auf den 145/146.
Und das Kennzeichen hätte man gerne nach links versetzt platziert, so wie bei Giulia, Stelvio und Tonale. Aber wegen dem maximal zulässigen seitlichen Neigungswinkel sei das nicht möglich gewesen. Der Nummernschildhalter wäre – optisch wenig ansprechend – weit vorgestanden. Das lässt sich verzeihen. Weniger verzeihen lässt sich jedoch, dass der charakteristische DNA-Drehregler, ein Markenzeichen von Alfa, einem standardisierten Drive-Mode-Schalter aus dem Stellantis-Konzern weichen musste, wie man ihn auch in einem Opel Corsa findet.
Es ist nicht der einzige Punkt, bei dem der Stellantis-Einheitsbrei zum Problem wird. Die CMP-Plattform wird konzernweit eingesetzt, muss für einen Opel Corsa genau so funktionieren, wie für einen sportlichen Alfa. Das funktioniert dann nur: bedingt. Zumal die Plattform auch noch Verbrenner, Hybrid und Stromer können muss. Der 1.2-Liter-Hybrid mit 100 kW (136 PS) – dazu noch 21 kW (28 PS) aus einem Elektromotor – fährt sich genauso bieder, wie er sich anhört. Wie man es auch vom Tonale kennt.
Mit Sperrdifferenzial
Spannender wird es im Elettrica Veloce. Da hat sich Alfa grösste Mühe gegeben, Sportlichkeit einfliessen zu lassen, hat ihm ein direktes Lenkgetriebe mit Übersetzung 14.6:1 spendiert, ein neues, strafferes Fahrwerk mit 25 Millimeter Tieferlegung, härtere Kurvenstabilisatoren an Vorder- und Hinterachse, sowie ein Torsen-Sperrdifferenzial. Das hilft gegen Untersteuern am Kurvenausgang, so dass sich der Junior tatsächlich sportlicher bewegen lässt, als man es von einem vollelektrischen Kompakt-Crossover erwarten würde. Mit 207 kW (280 PS) ist der Veloce auch nicht untermotorisiert, beschleunigt in 5.9 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100.
Das Problem des elektrischen Juniors aber ist, dass die E-CMP-Plattform bereits veraltet wirkt. Mit einer bloss 51 kWh kleinen Batterie, schafft der Elettrica Veloce 315 Kilometer nach WLTP, der mit 115 kW (156 PS) deutlich schwächer motorisierte Elettrica Speciale 400 Kilometer. Die Realität im Winter-Test ist eine andere. Da lagen auch mit Speciale selten mehr als 300 Kilometer drin. Dazu kommt, dass es keine Vorkonditionierung der Batterie zum Laden gibt, so dass die theoretisch maximale Ladeleistung von 100 kW blosse Theorie bleibt. Die Praxis zeigte: Bei kalten Temperaturen liegen kaum je mehr als 50 kW drin – ein Ladestopp dauert dann deutlich über eine Stunde.
Kinderkrankheiten
Dann sind da noch einige Kinderkrankheiten in der Bedienung. So sind die optionalen Integral-Sitze von Sabelt nicht mit einer Sitzheizung ausgestattet – bloss weiss das Klima-Menü dies nicht, so dass der entsprechende Button für die Aktivierung trotzdem angezeigt wird. Apropos Schalensitze: Die sind, wie der gesamte Innenraum, sehr hübsch verarbeitet, bieten auch ordentlich Seitenhalt, schränken aber den Platz auf den Rücksitzen deutlich ein. Für Erwachsene ist die Kniefreiheit knapp, einen Kindersitz zu montieren wird zur Herausforderung. Ein Fiat 600 mit den gleichen Abmessungen bietet da deutlich mehr Platz.
Bietet aber auch nicht mehr fürs Geld, denn der Basispreis für den Junior Elettrica liegt bei 39’900 Franken. Derjenige für den Fiat 600 bei 38’690 Franken. Die Einstiegsvariante des Junior Ibrida kostet bloss 29’990 Franken. Es ist wohl einer der wenigen Vorteile der Konzern-Gleichteilpolitik. Sie drücken die Kosten. Und damit den Preis.
The Car of the Year 2025
Der Alfa Romeo Junior ist einer der sieben Finalisten für «Car of the Year 2025». Die Wahl des Siegers findet am 10. Januar statt. Mehr zu COTY gibt es: hier.
Text: Ramon Egger Bilder: Kim Hüppin
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