BYD Sealion 7 – Overpromise, oder …?
- Ramon Egger
- 14. Nov. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Jan.

Wir haben den BYD Sealion 7 getestet. Darum soll es aber nur am Rande gehen, eigentlich wollen wir mehr über die chinesische Marke reden. Das Auto ist ganz ok, aber eben auch nichts Spektakuläres. Klar, der höchstdrehende E-Motor in der Massenproduktion klingt beeindruckend – doch ist kaum ein Kaufgrund. Die Blade-Batterie mit Cell-to-Body-Architektur? Technisch spannend, aber für die meisten irrelevant. Mit einer Spitze von 215 km/h und 0 bis 100 km/h in 4.5 Sekunden ist der Sealion 7 der schnellste BYD in Europa. Nett, aber auch nicht weltbewegend. Und die Reichweite von gut 500 Kilometern? Oberes Mittelfeld. Beim Verbrauch wird es schon eher spannend. Da schlägt der Sealion 7 komplett obenaus. Gut, wir sind ihn auch in der Region Frankfurt gefahren, grösstenteils auf der Autobahn, oftmals mit 160 km/h und aufwärts. Da liegt der Verbrauch dann deutlich über 40 kWh/100 km, die Reichweite deutlich unter 300 Kilometer. Aber ja: Aussagekräftig ist das nicht. Da zeigt dann auch das Fahrwerk Schwächen, wirkt unsicher, benötigt konstante Korrekturen am Lenkrad.
Feedback-Kultur
Und dann ist da noch die Heizung, die sich renitent weigert, auf angenehme 22 Grad zu wärmen. Die Heizung werde man neu kalibrieren, die sei noch auf die chinesische Wohlfühltemperatur von 26 Grad eingestellt, versprechen die Herren von BYD, von zahlreichen Journalisten darauf angesprochen. Und damit wären wir beim Punkt: Marke und Mentalität. Und: Feedback-Kultur. Wir konnten uns dazu länger mit Maria Grazia Davino unterhalten, Regional Manager Director für BYD in Europa – die Italienerin hat unter anderem schon hoch oben bei FCA gearbeitet.

Die Art, wie mit Feedback und Verbesserungen umgegangen werde, sei einzigartig bei den Chinesen, meint sie. Und sie meint das nicht in Marketing-Floskeln verpackt, sondern in ehrlichen Worten. Gäbe es Feedback oder Verbesserungsvorschläge, würden diese ohne Umwege direkt ins Engineering gelangen. Und nicht durch unzählige Management-Stufen rauf und wieder runter, so dass bei den Ingenieuren dann: nichts mehr ankommt. Und man glaubt ihr, dass es tatsächlich so funktioniert. Dass Verbesserungen nicht mit der über-übernächsten Modellpflege kommen – vielleicht, oder vielleicht auch nicht –, sondern: sofort. Geschichten darüber, wie bei Presse-Events Features über Nacht hinzugefügt wurden, scheinen das zu bestätigen. Da könnte sich noch manche europäische Marke eine Scheibe abschneiden.
Dass sich die erfahrene Maria Grazia Davino um den Aufbau des Händlernetzes in Europa kümmern muss, ist kein Zufall. BYD will endlich ernsthaft durchstarten in Europa.Kein Wunder: Als einer der grössten Hersteller von «New Energy Vehicles» (chinesisch für Steckerfahrzeuge) mit angeblich 23 Prozent Marktanteil weltweit, gehört Europa auf den Plan. Doch der Start war bisher holprig, der Marktstart wurde schon mehrfach angekündigt und ebenso oft wieder verschoben. Aber was solche Ankündigungen und kommunizierten Ziele angeht, haben die Chinesen offenbar eine andere Mentalität als wir.
Halbvoll nicht halbleer

Und weil sich das von aussen nur beschränkt beurteilen lässt, müssen wir uns auf die Ausführungen von Maria Grazia Davino verlassen, die zumindest einiges erklären würden. Was wir als «over-promise» verstehen würden, sei eneigentlich viel mehr: ambitionierte Ziele. Die dürfe man nicht als verbindliche Ankündigung verstehen, sondern als Motivation. Wenn man dann nur zur Hälfte hinkomme, sei das nicht negativ, sondern: immer noch sehr gut. Man hat das Ziel nicht zur Hälfte verfehlt, sondern zur Hälfte erreicht. Das Glas ist halbvoll und nicht halbleer.
Vielleicht auch deshalb hat man mit den etablierten Importeuren in Europa keinen gemeinsamen Nenner gefunden, weder in Deutschland mit Hedin noch in der Schweiz mit Emil Frey. Deshalb macht man den Import jetzt auch selbst, sucht Personal in der Organisation, im Vertrieb im Marketing. Und dann natürlich: Händler, die die Marke ins Portfolio aufnehmen wollen. Einen Zeitrahmen dafür hat man noch nicht festgelegt, die Aufgabe ist nicht einfach: Genügend Garagen finden, deren – mehrheitlich doch eher konservativen – Inhaber sich mit der Mentalität der Chinesen anfreunden können. Und sich dann auf dem – ebenfalls ziemlich konservativen – Schweizer Markt behaupten. Da wird es BYD schwer haben mit der aktuellen Modellpalette im C- und D-Segment. Ein Unterangebot an Auswahl herrscht da nicht gerade.
Text: Ramon Egger
Bilder: BYD
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